Dienstag, 17. Dezember 2013
Das Geschenk des Lebens
Noch immer hatte ich das Ziel der ersten Million, und so suchte ich
nach Möglichkeiten, viel Geld zu verdienen. Rasch wurde mir klar,
dass es vielerlei Wege gab, um reich zu werden. In Guanajuato existierten
mindestens zwei Dutzend verschiedene Läden, die Fotos entwickelten,
doch bei keinem einzigen von ihnen waren die Resultate verlässlich
gut. Es lag also auf der Hand, ein professionelles Fotolabor zu
eröffnen, um so peu à peu alle Menschen, die zuverlässig gute Abzüge
ihrer Fotos wollten, als Kunden zu gewinnen. Zum ersten Mal erkannte
ich, wie leicht es in Wirklichkeit sein kann, Geld im großen Stil anzuhäufen,
wenn sich man mit Fleiß, Ehrgeiz und ein wenig Ausdauer
dem Geldverdienen widmet. Es bedarf nur einer Idee, einer guten
Umsetzung und vor allem eines gewissen Kalküls, nämlich ohne Rücksicht
auf Verluste zu handeln, immer seinen eigenen Profit im Visier zu
behalten und am besten den Gewinn nicht oder nur kaum zu teilen. Eine
Anhäufung von Kapital ist schließlich nur möglich, indem jemand
auf Kosten der Natur, seiner Mitmenschen oder der Tiere handelt. Für
das Verständnis dieser Zusammenhänge half mir meine eigene minutiöse
Ausarbeitung des Fotoladenmodells in Guanajuato. Mein Plan
war es, die besten und pflichtbewusstesten Entwickler von den schon
bestehenden Fotoläden abzuwerben, indem ich ihnen ein besseres
Gehalt zahlen würde. In der Fotobranche ein gutes und überdurchschnittliches
Gehalt zu bezahlen, war in einem Land, wo das Durchschnittseinkommen
ein paar hundert Dollar beträgt, nicht schwer, und
da die meisten Menschen ihre Arbeitsstelle nicht nach ethischen Gesichtspunkten
wählen, wäre mein Vorhaben wohl aufgegangen. Natürlich
hätte ich zunächst einen Kredit aufnehmen müssen, um Maschinen,
Equipment und Personal bezahlen zu können, doch durch meine
anfänglichen Dumpingpreise bei guter Qualität wären die anderen Fotolabore
schon bald pleitegegangen beziehungsweise die Kunden zu
mir übergelaufen. Mit dieser Quasimonopolstellung hätte ich die Preise
bedenkenlos wieder anziehen können. Im Vertrauen, dass sich Gutes
durchsetzt, das heißt in diesem Fall, dass sich die zuverlässige Qualität
herumspricht, wären so schnell der Kredit abbezahlt und Tür und
Tor offen gewesen für Expansion und Profitmaximierung.
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