Mittwoch, 18. Dezember 2013

Meine Reise durch Asien und zu mir selbst





Erste Schritte zur Kultur des Teilens

surfen hört oder liest, findet die eigentliche Konditionierung, was
das eigene Vertrauen und die Selbstsicherheit anbelangt, erst durch
die persönliche Erfahrung statt. Vielleicht verhält es sich mit dem
Vertrauen in unsere Mitmenschen so wie mit dem Verliebtsein oder
dem Küssen: Man kann unendlich viele Bücher darüber lesen, aber
wahrhaftig erleben kann man es erst, wenn man es selbst erlebt.


Ich flog zunächst alleine nach Shanghai, wo wir bei Freunden von
Freunden für einige Tage unterkommen konnten. Schon auf dem Weg
vom Flughafen in die Stadt ging es vorbei an ärmlichen Wohnhütten
von Wanderarbeitern, die aus allen Ecken des Landes kommen, um
in den Städten ihr Glück zu suchen. Glück bedeutet in dem Fall, endlich
auch zu dem materiell besser gestellten Teil der Welt zu gehören,
endlich über fließend Wasser, Waschmaschine, Fernseher und ähnliche
Symbole des »guten Lebens« zu verfügen. Milliarden Menschen
streben nach der westlichen Lebensweise, die ihnen überall auf der
Erde durch Film und Fernsehen vorgelebt und idealisiert wird.


In den letzten Jahrzehnten ist Chinas Wirtschaft im Durchschnitt um
rund 10 Prozent gewachsen, und das dank hunderter Millionen Menschen
vom Land, die in die Städte und deren Peripherie strömten. Die
sanitären Verhältnisse haben sich deutlich verbessert, aber auch Unterernährung
und Analphabetismus sind stark zurückgegangen. Doch
das ewige Wachstum der chinesischen Wirtschaft hat auch ihre Schattenseiten.
Heute wachsen über 50 Millionen Kinder praktisch das
ganze Jahr ohne ihre Eltern auf. Die meist ungebildeten und ohne Vertrag
angestellten WanderarbeiterInnen und deren Familien zahlen oft
einen hohen Preis für ihre Teilnahme am Kapitalismus. Die meisten
von ihnen arbeiten zu Hungerlöhnen und unter katastrophalen Bedingungen.
Sie sind die modernen »freiwilligen« Sklaven des Kapitalismus.
Wir alle gehören zu den Nutznießern dieses Systems, denn wir


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